12 Fakten über Tanzveranstaltungen, die selbst Fans von historischen Romanen verblüffen
Tanzveranstaltungen sind seit Jahrhunderten ein beliebter Zeitvertreib. Buchstäblich alle tanzten: von Vertretern der High Society bis hin zu Menschen aus den unteren Schichten. Die Vorbereitung dieser Veranstaltung war sowohl für die Organisatoren als auch für die Gäste aufwendig. Den Saal zu schmücken und Einladungen zu verschicken, war dabei das kleinere Übel. Trotzdem feierten einige mehrmals im Jahr rauschende Feste.
Wir bei Sonnenseite haben uns mal angeschaut, worauf es bei einer viktorianischen Tanzveranstaltung im 19. Jahrhundert ankam.
1. Das Haus musste vorbereitet werden
Die Vorbereitungen für eine Tanzveranstaltung waren aufwendig. Die Organisation wurde normalerweise von der Gastgeberin übernommen. Wenn das Haus nicht über einen geeigneten Saal verfügte, wurde ein Raum in einem anderen Gebäude gemietet. Nicht alle Herrenhäuser hatten extra Ballsäle, deshalb wurde der größte Raum gewählt, der von unnötigen Möbeln geräumt wurde.
Die Wände wurden mit Stoffen abgehangen und der Raum mit Pflanzen und Blumen geschmückt. Wenn es dunkle Vorhänge an den Fenstern gab, mussten sie durch helle ersetzt werden. Blassgelb galt damals als idealer Farbton für die Dekoration eines Ballsaals. Manchmal gab es nicht genug Stühle im Haus, damit die Gäste zwischen den Tänzen sitzen und sich entspannen konnten. Also wurden Möbel gemietet.
2. Besondere Aufmerksamkeit wurde dem Boden gewidmet
In britischen Häusern waren die Holzböden meist mit Teppichen ausgelegt. Vor der Veranstaltung wurden sie entfernt und der Holzboden mit Bienenwachs eingerieben. Das war eine echte Kunst: einerseits musste die Oberfläche wie ein Spiegel glänzen, andererseits durfte der Boden nicht rutschig sein, um Unfälle zu vermeiden. Aber das Wachs verschmutzte die Schuhe.
Im frühen 19. Jahrhundert hatten die Ballschuhe der Damen und Herren flache Ledersohlen. Um bei den Tanzschritten nicht auszurutschen, rieben die Gäste ihre Schuhe mit Kreide ein. Diese Idee übernahmen dann auch die Gastgeberinnen, und so wurden die Böden mit einer Kreide-Substanz eingesprüht. Für ganz besondere Anlässe wurde sogar eine Person engagiert, die den Boden des Ballsaals mit Buntstiften bemalte. Die Muster erfreuten nicht nur das Auge, sondern verdeckten auch Makel im Holz.
3. Die Gäste mussten gut betreut werden
Zusätzlich zum Ballsaal wurden separate Räume als Umkleideräume für Männer und Frauen eingerichtet. Hier ließen die Gäste ihre Oberbekleidung zurück. Außerdem gab es im Frauenzimmer zwei Dienstmädchen, die kaputte Kleidung reparierten, Frisuren richteten und bei anderen Problemen halfen. Dieser Raum wurde meist im Erdgeschoss eingerichtet, damit die Damen nicht die Treppe rauf und runter gehen mussten.
Es war auch notwendig, ein Zimmer für die heikelsten Bedürfnisse bereitzustellen. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren nicht alle Häuser mit einem Abwassersystem ausgestattet, so dass Nachttöpfe und eine Flasche Wasser bereit gestellt wurden. Es gab auch ein Dienstmädchen, das den Damen half, ihr Geschäft zu verrichten, ohne ihre Kostüme zu beschädigen. Nachttöpfe wurden auch in strategischen Bereichen des Hauses platziert, zum Beispiel hinter Vorhängen und in dunklen Ecken. Wenn das Bedürfnis den Gast während des Essens überrumpelte, konnte er oder sie vom Tisch aufstehen und sich hinter den Vorhängen verstecken. Und einige Damen kamen sogar mit ihrem eigenen Pinkeltopf zum Ball, den sie in ihrer Tasche trugen.
4. Tanzabende waren sehr kostspielig
Alle Tanzsäle mussten gut beleuchtet sein. Vor dem Aufkommen der Gaslampen wurden Kerzen verwendet, aber keine gewöhnlichen Kerzen, sondern Kerzen aus Bienenwachs. Sie kosteten eine Menge Geld: mehr als das Essen und die Getränke, die für die Feier vorbereitet wurden. Wenn die Kerzen falsch in den Leuchter eingesetzt wurden, begannen sie zu tropfen und die Gäste verbrannten sich am Wachs. Hunderte von Kerzen wirkten wie mehrere 25-Watt-Glühbirnen. Dazu wurden auch die Wandlüster mit Kristallanhängern verziert und Spiegel dahinter angebracht. Ansonsten wären die Räume zu düster gewesen. Aber die Kerzenflammen verbrannten erbarmungslos den Sauerstoff, setzten Kohlendioxid frei und ohne richtige Belüftung begannen die Gäste, sich krank zu fühlen.
Die Gastgeberin der Tanzveranstaltung musste ein Orchester engagieren. Normalerweise reichte eine Gruppe von vier Musikern, ein Pianist, ein Violinist, ein Cellist und ein Trompeter. Wenn die Tänze von einem Klavier begleitet wurden, musste ein professioneller Klavierspieler angeheuert werden, sonst hätten sich ein nicht talentierter Gast ans Klavier gesetzt, was katastrophal gewesen wäre.
5. Das Essen wurde auf Eis serviert
Essen und Getränke waren natürlich ein wichtiger Teil des Abends und konnten bei einem speziellen Catering-Unternehmen bestellt werden. Aber dieses Vergnügen war nicht billig, weshalb die Speisen meist im Haus zubereitet wurden. Dabei war es wichtig, keine Übermengen zu servieren. Es gab Sandwiches und Speisen, die zum Abendessen serviert wurden. Als Vorspeise wurden den Gästen Süßigkeiten angeboten: Waffeln und Bonbons. Alles wurde in einem separaten Raum angerichtet. Und es war nicht erlaubt, den Ballsaal mit Essen oder einem Getränk in der Hand zu betreten.
Zum Abendessen trafen sich alle in diesem separaten Raum. Die Gäste konnten zwischen Fleischsandwiches, Gelee, Geflügel und manchmal auch Suppe wählen. Alle Speisen waren vorgeschnitten. Gerichte, die kalt serviert wurden, stellte man auf Eis, sonst wären sie verdorben.
6. Die Vorbereitung eines Balls erforderte eine Menge Papierkram
Normalerweise wurden etwa 1/3 mehr Leute zur Tanzveranstaltung eingeladen, als in den Ballsaal passten, denn auch damals folgten nicht alle der Einladung. Wären aber alle gekommen, wäre das für die Gastgeberin eine echte Katastrophe gewesen, daher musste jeder Gast innerhalb von 3 Tagen nach Erhalt des Briefes zusagen oder absagen. Die Einladungen wurden 3 Wochen vor der Veranstaltung verschickt. Wenn die Gastgeberin eine große Familie sehen wollte, schrieb sie separate Einladungen für Mann und Frau, Töchter und Söhne, aber sie wurden alle in einen Umschlag gesteckt.
Die Gastgeberin erstellte im Voraus ein Tanzprogramm mit einer Liste aller Tänze, die auf eine Karte gedruckt wurden. Auf der einen Seite standen die nummerierten Tänze, auf der anderen Seite Zahlen und ein leeres Feld, in das die Gäste ihre Begleiter eintragen konnten. An den Karten war ein Stift befestigt. Einige einfallsreiche Gastgeberinnen erstellten Programme in Form von Papierfächern.
7. Fächer waren nicht nur zur Abkühlung gedacht
Der Fächer war ein wichtiges Detail des Ball-Outfits einer jeden Frau. Durch die vielen Kerzen und die vielen Menschen wurde es schnell heiß und stickig im Saal. Der Fächer war also unverzichtbar. Er bewahrte die Damen aber nicht nur davor, in Ohnmacht zu fallen, sondern half ihnen auch, mit interessierten Männern zu kommunizieren. Im 19. Jahrhundert konnten Frauen ihre Gefühle nicht offen zeigen, vor allem nicht in Gegenwart anderer Mitglieder der Gesellschaft, deshalb benutzten sie eine Geheimsprache.
Wenn eine junge Frau den Fächer in der linken Hand hielt und schwach damit winkte, bedeutete das, dass sie den Herrn treffen wollte, auf den der Fächer gerichtet war. Um ihre Abneigung auszudrücken, hielt die Dame den geschlossenen Fächer in der geballten Hand. Wenn sie mit der rechten Hand langsam und mit offenem Fächer wedelte, bedeutete das, dass sie verheiratet war.
8. Die Gastgeberin musste stundenlang an der Tür stehen
Die Gastgeberin war verpflichtet, alle Gäste zu begrüßen, die zur Tanzveranstaltung kamen. Deshalb musste sie bis zum Abendessen oder bis alle Gäste eingetroffen waren, in der Nähe der Tür bleiben. Das war normalerweise so nicht kompliziert. Schwierigkeiten gab es nur, wenn ein der Dame unbekannter Herr an der Tür stand, der von ihrem Mann oder ihren Kindern eingeladen worden war. Die Gastgeberin konnte einen solchen Gast nicht einfach ansprechen, deshalb mussten entweder der Ehemann oder einer der Söhne immer in ihrer Nähe bleiben. Aber im Ballsaal durften die Töchter und die Gastgeberin sich mit ihnen unterhalten.
9. Allen Damen wurden Nummern zugeteilt
Eine der wichtigsten Figuren des Festes war der Tanzmeister. Er überwachte die Einhaltung der Regeln während der Tänze, kündigte das Abendessen an und war für alle möglichen organisatorischen Angelegenheiten zuständig. Bevor die Tanzveranstaltung begann, begrüßte der Meister die Gäste an der Tür des Ballsaals und verteilte Karten mit Nummern an alle Damen. Die Frauen mussten die Karten an einer sichtbaren Stelle befestigen. Die Nummer gab an, welchen Platz das Paar beim Tanzen einnehmen sollte.
Die Frauen trugen die Nummer während der gesamten Tanzveranstaltung, denn ohne sie durften sie nicht tanzen. Wenn eine die Karte verlor, musste sie sich an den Tanzmeister wenden, um Ersatz zu bekommen. Vor Beginn des Tanzes gingen die Paare nacheinander im Kreis, wenn ihre Nummern angesagt wurden. Wer nicht an der Reihe war oder zu spät kam, musste die letzten Plätze einnehmen.
10. Handschuhe waren ein unverzichtbares Kleidungsstück
Im 19. Jahrhundert waren Handschuhe ein wesentlicher Bestandteil der weiblichen Kleidung. Im Allgemeinen wurden kleine Handschuhe getragen, die eng an der Hand anlagen, um so ihre Zerbrechlichkeit und Anmut zu betonen. Aber die Länge der Handschuhe variierte je nach Mode.
Eine Dame durfte nicht ohne Handschuhe zu einer Tanzveranstaltung gehen. Das wäre der Gipfel der Unanständigkeit gewesen. Die Handschuhe mussten weiß oder blassrosa sein. Außerdem waren Handschuhe ein sehr intimes Kleidungsstück, weshalb es Königin Victoria sehr peinlich war, als sie ihrer Schwester Handschuhe leihen musste. Mit Hilfe dieses Accessoires konnte eine Dame versteckte Signale an einen Herrn senden. Um dem Auserwählten ihre Liebe zu gestehen, ließ die junge Frau beide Handschuhe fallen.
11. Durch den Ballsaal zu gehen, war eine komplizierte Angelegenheit
Die Verhaltensregeln im Ballsaal waren ziemlich streng. Damen durften keinen einzigen Schritt machen, ohne von einer anderen Frau begleitet zu werden. Unter diesen Umständen war selbst ein Spaziergang durch den Ballsaal oder der Gang zur Toilette eine echte Tortur.
Auch die Männer mussten sich an viele Regeln halten. Ein müder Herr durfte sich nach dem Tanzen nicht auf einen Stuhl setzen, wenn daneben eine ihm unbekannte Dame saß. Aber das Wichtigste war, dass sie nicht zu lange auf dem Ball bleiben durften, weil sie sich sonst unbeliebt machten und nicht mehr zu solchen Veranstaltungen eingeladen wurden.
Männer hatten mehr Verantwortung, wenn die Tanzveranstaltung von ihren Ehefrauen, Müttern oder nahen Verwandten organisiert wurde. In diesem Fall musste der Mann dafür sorgen, dass alle Damen Tanzpartner hatten. Und wenn niemand bereit war, mit einer Dame zu tanzen, musste der arme Mann ran. Also tanzten alle hässlichen, alten Damen am Ende mit ihm.
12. Die Frisur verriet viel über eine Frau
Bei der Vorbereitung auf den Tanz legten die Damen nicht nur viel Wert auf ihre Garderobe, sondern auch auf ihre Frisuren. Um ihrem Haar mehr Volumen zu geben, haben sie es mit “Ratten” gefüllt. Das war der Name für die Haarsträhnen, die die Mägde vom Kamm der Dame sammelten und zu Haarverlängerungen machten. Die “Ratten” passten daher farblich zu ihren Haaren. Zusätzlich wurde auf das Haar ein Glanzpuder aufgetragen. Es wurde aus zerstoßenem Gold oder Blattsilber hergestellt. Aber nur reiche Damen konnten sich diese Mischung leisten. Es gab auch günstige Alternative, aber die ließ die Frisur unordentlich aussehen und die Locken wirkten eher schmutzig.
Besondere Aufmerksamkeit wurde den Accessoires gewidmet. Die Damen trugen natürliche und künstliche Blumen, Bänder und Schmuck in ihrem Haar. Außerdem konnte man anhand der komplizierten Frisur leicht eine verheiratete Dame von einem Fräulein im heiratsfähigen Alter unterscheiden. Erstere konnten sich komplexere Designs leisten, die üppig mit Juwelen und Federn verziert waren. Junge Frauen zeichneten sich durch Bescheidenheit aus. Sie durften nur Blumen tragen.
Was denkst du, ist schwieriger zu organisieren: eine moderne Hochzeit oder eine viktorianische Tanzveranstaltung?